Kore-edas frühe Entwicklung ist eine ganz andere, als die seiner bekannten Zeitgenossen wie Shinji Aoyama, Kiyoshi Kurosawa oder Akihito Shiota: anstatt vom universitären Experimentalkino zu kommen, oder aus den Untiefen des Direct-to-Video-Sumpfes hervorzusteigen, hatte sich Kore-eda einer TV-Produktionsgesellschaft angeschlossen, die sich auf Dokumentationen spezialisierte. Auf der Tokioter Waseda Universität hatte er sich vor allem Filme angeschaut und Drehbücher gelesen, hielt sich aber von der cinephilen Szene fern. So sind seine ersten sieben Filme allesamt Dokumentarfilme, bevor er seinen ersten Spielfilm drehte - der auch auf einem der vorherigen Dokus beruhte: MABOROSI, in dem eine Frau mit dem Tod ihres Mannes zurecht kommen muss.
Kore-eda hat schon früh versucht, einen eigenen Weg zu gehen, der vollständig auf das Ausschlachten von dramatischen Gefühlen verzichtete, der nichts skandalisieren will sondern viel eher nüchtern und distanziert sich der Thematik nähert; damit sich der Zuschauer selbst ein Bild machen kann, ohne zu sehr vom Filmemacher gelenkt zu werden. AUGUST WITHOUT HIM, ein Film über die letzten Lebensmonate eines HIV-kranken Homosexuellen funktioniert genau so. Und interessant ist vor allem, wie sanft Kore-eda den Fokus verschiebt.
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Michael Schleeh
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