Direkt zum Hauptbereich

Giants & Toys / Kyojin to gangu (Yasuzo Masumura, Japan 1958)


Als die Umsätze des Süßigkeitenherstellers “World Caramel” einbrechen und die alljährige Werbeoffensive ansteht, geht es um nichts weniger, als die Konkurrenten „Giant“ und „Apollo“ zu verdrängen. Die Marketingabteilung ist da gefragt, und es wird nach dem ultimativen Konzept gesucht. Ein neues Gesicht muß her, und wenig später auch in der einfachen, aber charmanten Automechanikerin Kyoko (Hitomi Nozoe) gefunden. Ihre Besonderheit: sie hat abstehende, kariöse Zähne. Doch Goda und sein Partner Nishi (Hiroshi Kawagushi) glauben an das ungewöhnliche Konzept, und tatsächlich: eine lancierte Fotostrecke mit Kyoko wird zum Erfolg.

Masumuras Film ist eine äußerst mutige und gesellschaftskritische Wirtschaftssatire, und das zu einem Zeitpunkt, als Japans Wirtschaft nach dem Weltkrieg ‚endlich wieder’ florierte. Auch Akira Kurosawa nahm sich des Themas an, allerdings in Form eines Wirtschafts-Thrillers: THE BAD SLEEP WELL, in dem es um korrupte Machenschaften in einer Konzernführungsschicht geht. Masumura jedoch hält der Gesellschaft den Spiegel auf sehr unterhaltsame Weise vor, ohne dabei auf sehr deutliche Kritik zu verzichten. War der wunderbare KISSES noch in rasanten s/w-Bildern gefilmt, so ist dieser schnell, laut und knallbunt in Daiei-Scope gefilmt. Die üblichen Tanzeinlagen dürfen nicht fehlen und die beiden Liebenden aus KISSES scheinen auch hier zunächst zusammenzufinden. Aber nur solange, bis Nishi die erfolgreiche Marketingexpertin der Konkurrenz kennenlernt, welche ihn gekonnt zu verführen weiß; gut möglich aber, daß sie es nur auf interne Informationen abgesehen hat. Das Bläsercrescendo erinnert dabei durchaus an den Kollegen 007.

Die japanische Wirtschaftselite wir als seelenlose und machtbesessene Bande vorgeführt, die ausschließlich an der Maximierung der Gewinne interessiert ist – und sei es um den Preis, daß die eigene Ressourcen, sprich: die kreativen Köpfe, verschlissen werden. Die Verkaufszahlen sind absolute Priorität im Turbokapitalismus, der Mensch zählt nichts („Sales are everything.“); der Angestellte opfert sich für das Wohl der Firma. In einer zunächst rührenden und romantischen Szene, sagt Nishi der fröhlichen Kyoko sehr deutlich, wo der Hammer hängt: Sie sei gar nichts (wert), man habe sie morgen wieder vergessen: „You are salable goods.“
Doch der harte Kampf um Gewinnmaximierung und die eigene Karriere setzt den Leuten zu: der ehemalige kreative Kopf der Abteilung ist von Goda hinausgedrängt worden, er sei zu alt, er würde nicht mehr verstehen, was heutzutage los sei. Dieser kommt mit dem Samurai-Ehrenkodex an, mit dem Bushido, „What about dignity? We are not thieves!“ Doch da wird er vor versammelter Mannschaft nur ausgelacht. Daraufhin bekommt er einen Hustenkrampf, bei dem sich sein ganzer Körper schüttelt: er spuckt Blut.

Das Geschwür des Kapitalismus ist ganz in den Menschen vorgedrungen.

Auch Goda, der sich selbst schindet bis zum Umfallen, der mehrere Nächte nicht mehr geschlafen hat, für den der berufliche Erfolg vom Gelingen der Kampagne abhängt, wird am Ende des Filmes seine Beförderung in den Händen halten. In einem Hustenkrampf bespuckt er sie mit Blut. Auch er hat seine Gesundheit im Kampf um den Erfolg ruiniert.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

Eighteen Years, to the Sea / 十八歳、海へ (Toshiya Fujita, Japan 1979)

 Toshiya Fujita (Regisseur von z.B. den LADY SNOWBLOOD-Filmen oder STRAY CAT ROCK: WILD JUMBO ) liefert hier einen typischen japanischen End-70er-Jahre Genrebeitrag ab, in dem sich "Junge Wilde" in ihrem ganzen übersatten Ennui dermaßen anöden, dass sie auch mal dieses Ding mit dem Doppel-Liebestod ausprobieren wollen. Existenziellere Nöte gibt es kaum, sie sind sogar in ihrer Abschlußklasse ganz vorne auf der Liste. Die Eltern haben alle Geld, aber man kann es sich leisten, es nicht annehmen zu wollen.  Also geht man in Kamakura ins Meer, legt sich mit einer Bikergang an, nimmt Schlaftabletten (aber immer nur eine) und erhängt sich zum Spaß mit einem Seil, das schon ganz verrottet ist und auf jeden Fall reißt.  Ansonsten gibt es viel unbeholfenen Sex, der schnell in Gewalt ausartet, einmal auch in eine (fürs Genre obligatorische) Vergewaltigung, an deren Ende das Opfer den Täter sogar noch bittet, sich zukünftig um die Schwester zu kümmern.  Es ist alles wunderbar a...

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten...