Masumuras Debut markiert ein Wende im japanischen Kino: das Portrait eines jungen Paares, das zunächst noch zusammenfinden muß, zeichnet sich durch einen engagierten s/w-Stil aus, der lange Einstellungen mit harten Schnitten paart, häufig unter Verwendung einer Handkamera und dadurch sehr dicht dran ist am hungrigen Leben zweier junger Menschen, die gegen die repressive Gesellschaft, die soziale Ordnung rebellieren –er, weil er wild ist, und sie, weil sie versucht, selbstbewußt zu sein: sie ist romantisch und arbeitet zugleich als Acktmodell für Kunststudenten und Maler. Nagisa Oshima ließ sich zu der bekannt gewordenen Aussage hinreißen: „[a] powerful, irresistible force has arrived in Japanese cinema.“
Ein Junge und ein Mädchen lernen sich kennen und verbringen einen Tag miteinander: Es geht um den jungen Kinichi (Hiroshi Kawaguchi), der seinen Vater im Gefängnis besucht. Dieser ist ein Politiker und sitzt wegen Wahlbetrugs ein. Der Vater wird nun nicht gerade als emotionales Zentrum der Familie gezeichnet, ist sehr barsch und bestimmend. Gleichzeitig allerdings gibt er seinem Sohn die kaum lösbare Aufgabe, die 100 000 Yen Kaution zu besorgen, wozu Kinichi in seinem Tatendrang natürlich sofort bereit ist. Der Vater allerdings unterstützt ihn nicht, liest lieber die Zeitung. So muß er sich allein mit dem Staatsanwalt herumschlagen, der von dem jungen Bilderstürmer naturgemäß überhaupt nichts hält.
Im Gefängnis lernt er die hübsche Akiko (Hitomi Nozoe) kennen, die ebenfalls ihren Vater besucht, der wie Kinichis Vater 100 000 Yen benötigt. Beider Familien sind zerrüttet. Die Väter im Gefängnis, und die Mütter abwesend – Akikos liegt krank im Spital, das nicht mehr bezahlt werden kann, und Kinichis hat sich vom Vater getrennt und vom Sohn losgesagt.
Interessant sind gleich die ersten drei Szenenkomplexe zu Beginn:
In der Eröffnungssequenz läuft Kenichi die staubige Straße am Gefängnis entlang, auf dem Weg zum Vater und wischt sich den Schweiß ab. Dann streckt er sich gelangweilt. Das kennt er bereits alles, er hat das scheinbar schon oft erlebt. Ein Polizeiwagen fährt vorbei und wirbelt Staub auf. Kenichi spuckt wütend aus. Hier hat einer kaum noch Respekt vor den Autoritäten, der Obrigkeit. Er wirkt wie ein noch sehr junger Yakuza aus einem Fukasaku-Film. Nach 30 Sekunden ist also das Hauptthema des Filmes klar: das Aufbegehren der Jugend gegen die Autoritäten.
In der zweiten Sequenz ist Kenichi im Wartesaal angekommen und muß sich anmelden; die Beamten sind unfreundlich und barsch. Kenichi wirft verächtlich seinen Studentenausweis auf den Schreibtisch. Großaufnahme. Dadurch wird zweierlei erreicht: die Einführung der Person und eine weitere Deutungsebene: der Intellektuelle vs. die Bürokratie.
In der dritten Sequenz wird Kenichi selbst als Gefangener gezeigt, im Gang zwischen den Beamten stehend, die in ihren verglasten Büros die Anmeldung abfertigen. Das Bild wird von horizontalen und vor allem: vertikalen Linien dominiert, in denen Kenichi selbst nun als Gefangener erscheint.
Im Folgenden werden alle Bilder sehr stark durch Linien strukturiert, die eine starke Ordnung und Einengung verdeutlichen. Das wird durch die Art und Weise erreicht, wie die Architektur ins Bild gesetzt wird, oder der Lichteinfall und daraus resultierende Schatten.
Dann kommt der Ausbruch: als Kenichi im Flur vor den Besuchsräumen steht, platzt Akiko aus dem ihrigen heraus und rennt ihn fast über den Haufen. Ein stürmisches Kennenlernen im Schmerz, sie heult und rennt davon, nicht ohne sich noch einmal umzudrehen. Kenichi hat angebissen.
Im Laufe des Tages werden sie gemeinsam Motorradfahren, auf der Radrennbahn eine Wette gewinnen, im Meer baden, Rollerskates laufen usw. Bis sie wieder zurück müssen in ihr Leben voller Verantwortung und Verpflichtungen. Die Jugendlichen scheinen in diesem Film oft erwachsener als die Eltern.
Die gemeinsamen Tage sind also auch ein Ausbruch aus der ausweglosen und die Jugendlichen überfordernden Situation. Eine gefühlte Nähe zu Godards AUßER ATEM stellt sich ein, die wilden Fahrten auf dem Motorrad, das sich kennenlernende Paar, die jump-cuts, sind einige Parallelen, ohne jedoch formal wie inhaltlich die Radikalität des französischen Filmes zu erreichen. Aber das war wohl auch nicht Masumuras Anliegen. Wir haben es hier mit einer Romanze zu tun, und der Kuß am Ende, die nackte Haut Akikos am Strand und die langen Beine beim Skaten dürfte einige Kinobesucher Ende der 50er schon ausreichend zugesetzt haben.
Und so ist der Film offenkundig beides: einerseits noch einem relativ traditionellen Erzählstil verpflichtet (und zahmer als einige seiner späteren Filme), andererseits aber durchaus deutlich auf Mißstände der Gesellschaft hinweisend, eine Gesellschaft, die ihre Kinder verstößt und kein zuhause mehr bietet.