THE WARPED ONES ist die totale Tayozoku-Madness, ein Film über jugendliche Rebellen im Nachkriegsjapan: zwei "juvenile delinquents" kommen aus dem Gefängnis heraus und beginnen direkt mit ihrer Hatz auf Vergnügungen, auf Mädchen, Alkohol und Befriedigung der Primärbedürfnisse. Wenn die Strecke zu weit ist, klaut man eben kurz einen Wagen. Hat man Hunger, klaut man was am nächsten Straßenstand. Die Sonne brennt vom Himmel, der Schweiß steht auf der Stirn, der Jazzbeat treibt voran, die Artikulation geschieht hauptsächlich durch Grunzen, Brüllen, Knurren und sonstige animalische Laute. Wird gegessen, dann wird geschlungen. Gebratene Hühnchen werden zerrissen, Reis wird gestopft. Wasser wird aus der Kanne direkt in den Mund gegossen und läuft über den von Schweißtropfen perlenden, entblößten Körper.
Dieser prototypische Suntribe-Film (die man als Vorläufer der "Neuen Welle" in Japan verstehen kann) ist ein einziger, rasender Exzess der Respektlosigkeit. Die beiden Protagonisten hausen in einem Verschlag direkt an den Bahnschienen, ansonsten halten sie sich bevorzugt in einem Jazzclub auf der Amüsiermeile auf. Mit Hilfe einer hübschen Freundin, die hauptsächlich als Prostituierte ihr Geld verdient, ziehen sie betrunkene Freier ab und klauen deren Brieftaschen. Durch Zufall begegnen sie bei einer Fahrt ans Meer einem Journalisten und seiner Verlobten, der sie damals in Schwierigkeiten brachte. Voller Hass wenden sie das Auto und heizen auf das Pärchen zu, einer reisst die Türe auf und mäht den Mann um. Der Wagen stoppt, der andere springt heraus und zerrt die Frau ins Auto, die sie an eine abgelegene Stelle des Strandes verschleppen. Hinter einem Wäldchen wird die Frau dann von einem der beiden Männer vergewaltigt und liegengelassen.
Zurück in Tokyo erkennt er sein Opfer auf einem Plakat: sie ist Künstlerin und er steht zufällig vor der Galerie, in der sie neue Bilder austellt. Stets impulsiv und hemmungslos, betritt die Mischung aus Yakuza und Gossenjunge die Räume der gediegen-intellektuellen Veranstaltung und führt sich auf, als wäre er nicht ganz dicht. Das Wiedersehen mit dem Vergewaltiger fällt traumatisch für die Frau aus, vor allem, da er einen Narren an ihr gefressen zu haben scheint, und sie und ihren Gatten zu seinem Vergnügen zu terrorisieren beginnt. Vor allem ihr Mann behandelt sie von nun an wie eine "gefallene Frau" - das Thema wird totgeschwiegen, Kontakt gibt es aber keinen mehr. Da verfällt sie auf die Idee, den Vergewaltiger und seine Freunde zu bitten, auch ihren Mann zu schänden, damit sie beide wieder auf derselben Stufe stünden...
So nimmt das Drama seinen Lauf, und gut enden kann das nicht. Besonders faszinierend ist die totale Bedrohung durch diese Kriminellen, die jede gesellschaftliche Übereinkunft über Bord geworfen haben - vor allem auch weil sie völlig rücksichtslos gegen sich selbst handeln. Derart werden sie auf gewisse Weise unangreifbar - etwa wenn ihnen egal ist, ob sie in den Knast kommen, solange sie noch ihren Spaß bei einer Vergewaltigung haben konnten. Der "zivilisierte Mensch" kann solchen Personen nichts mehr entgegensetzen, wenn er an den eigenen Werten festhält. Um solche Bestien loszuwerden muss man selbst zum Tier werden.
Besonders erwähnenswert ist außerdem noch der Soundtrack, der hier ausschließlich aus dem Jazz der Besatzer besteht, sowie die Bekanntschaft mit einem schwarzen GI. Mit diesem gibt es noch eine angedeutete homoerotische Eskapade am Strand (und eine inoffizielle "Fortsetzung" namens BLACK SUN, 1964), bei dem die übermütigen Jungs ins Meer hüpfen. Außerdem: eine spiegelverkehrte Problematik mit ungewollten Schwangerschaften und das Thema der Abtreibung. Aber man soll nicht zuviel verraten: THE WARPED ONES ist ein atemloser, stets an der Überhitzung brodelnder cineastischer Exzess, der in der Konsequenz der Darstellung seines Themas fassungslos macht. Ein absoluter Pflichtfilm, der sich einer eigenen Bewertung enthält. Dass diese Reise ein Spirale in die Hölle ist, scheint aber unzweifelhaft gegeben. Ob dahinter ein konservativer Impuls lauert, könnte diskutiert werden. Shintaro Ishihara jedenfalls, der mit seiner Erzählung Tayo no kisetsu (1955, verfilmt 1956) den Akutagawa-Preis gewonnen hatte, sagte in einem Interview "that these tales are, in a sense, about conservative morality: rebellion and impulsiveness do not ultimately bring happiness to either the boys or the girls." Hinzufügen muss man allerdings, dass sich der Herumtreiber aus reichem Hause im Laufe seiner politischen Karriere zu einem der konservativsten Hardliner Japans (ebd.: "He called the Tohoku earthquake a “divine punishment” for Japan’s moral misdirection." - ein Ereignis, das zum Tsunami und zur Fukushima-Tragödie führte) entwickelt hat. Die kompromisslose Darstellung in THE WARPED ONES jedenfalls ist pures cineastisches Glück.
Zu Koreyoshi Kurahara und den Sun Tribe-Filmen im Allgemeinen empfehle ich diesen Text bei mubi.com.
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