Direkt zum Hauptbereich

HKIFF: The Great Passage (Yuya Ishii, Japan 2013)


In dieser ruhigen Tragikomödie voller quirky characters geht es vor allem um den Außenseiter und Bücherwurm Majime (Matsuda Ryuhei), der als Angestellter eines Tokyoter Verlages in dessen Dictionary-Abteilung abgeschoben wird. Diese befindet sich neben dem chrom- und stahlglänzenden, repräsentativen Haupthaus in einem seltsam verwunschenen und mit Ranken bewachsenen Nebengebäude, das sich zwar etwas Charme erhalten hat, aber doch recht runtergekommen ist. Die Situation in der Abteilung ist prekär: wer braucht heute noch ein Wörterbuch? Man steht vor einem Rechtfertigungsproblem und auch innerhalb des Verlags wird bereits überlegt, ob sich der Erhalt dieses unrentablen Geschäftszweigs überhaupt noch lohne. Da kommt ein rettender Gedanke: Vom Abteilungsleiter geplant ist ein ganz neues Wörterbuch, das die aktuellsten Entwicklungen moderner Jugendsprache aufnimmt und zur Diskussion stellt; ein Wörterbuch im Fluß, als Momentaufnahme, dicht dran an den Menschen und hochaktuell. Als „Schiff auf dem Meer der Wörter“, wie es mehrfach heißt, mit dem Titel The Great Passage.

Majime also kommt neu in die Abteilung, beweist sich, steigt auf, und wird nach der Erkrankung des Professors, des Senseis, zur wichtigsten Figur. Eine Geschichte als Bewährungsprobe, das ist dieser Film, der ruhig vor sich hinfließt und mit famosem lakonischen Humor überzeugen kann. Mehrfach entstehen enorm lustige Szenen eben genau dardurch, dass Dinge nicht ausgesprochen werden, durch die Abwesenheit von Handlung, durch das Verstocktsein der Charaktere. Und so muß sich Majime, der natürlich auch sozial im Umgang mit Menschen – und mit Frauen erst! - überhaupt nicht zurecht kommt, beweisen. Wie es das Drehbuch will, kommt dann bald die Frauenfigur, der love interest, ins Spiel: die Rückkehr der Tochter der Haushälterin. Mit gravierenden Konsequenzen für Majimes Gefühlshaushalt. Was auch vollkommen verständlich ist, steht doch da plötzlich Aoi Miyazaki vor ihm, wie die aufgehende Sonne in einer ansonsten heftig eingetrübten Welt. Eine Fülle von Nebenplots dehnen den Film dan auf über zwei Stunden, was zwar manchmal gegen Ende die Geduld des Zuschauers etwas strapaziert, aber innerhalb des Filmkosmos vollkommen adäquat ist.

THE GREAT PASSAGE lässt sich nicht hetzen, wie es auch Ausdauer braucht und schließlich vollen Einsatz von allen Beteiligten, um die geplante Deadline für die Veröffentlichung einhalten zu können. Doch das bleibt durchweg bis zum Ende intelligent und humorvoll, auf eine angeneheme Art und Weise, sodass nicht immer alles zwangshaft ausformuliert und erklärt wird, offene Stellen gelassen werden, der Zuschauer zum Weiterstricken der Plotfäden angehalten wird. Ein souveräner, erwachsener Film voll leisen Humors, bei dem das Auditorium mehrfach in schallendes Gelächter ausgebrochen ist und das nach dem Ende des Films lange begeistert applaudierte. Ein guter Einstieg für mich ins Festival hier in Hong Kong.

*** 

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten...

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra...