Ironischerweise ist es ausgerechnet
Weichung (Richie Jen), der leitende Angestellte eines
Brillenfachgeschäfts, der die Dinge in seinem Leben unscharf sieht.
Und das, obwohl er keine Brille benötige, wie er an einer Stelle
sagt. Er hat sich eingerichtet in seinem Leben mit Ende 30, Anfang
40. Er hat einen ordentlichen Job, eine hübsche, beruflich
erfolgreiche Frau (die umwerfende Mavis Fan) und einen kleinen Sohn
Namens Awan. Man führt ein gesittetes, modern bürgerliches Leben in
Taiwan und regt sich allenfalls über die Schwester auf, die
unentschlossen durchs Leben taumelt, da sie sich in Liebesdingen nie
wirklich entscheiden kann. Immerhin will sie jetzt San San heiraten,
einen harmlosen aber liebevollen Eigenbrötler mit Trottelfrisur.
Dass Weichung immerzu melancholisch und wie in einem ruhigen Fluß
durch den Tag geht, daran hat er sich gewöhnt. Dass ihm etwas fehlen
könnte, das bemerkt er erst, als ein junger Mann (Lawrence Ko) in
seinem Geschäft auftaucht, und in den er sich direkt verkuckt. Da
erinnert er sich daran, wie er früher, vor seiner Hochzeit einmal,
Gefühle für Männer hatte – und diese scheinen wiederzukehren.
Hatte er sein Schwulsein nur unterdrückt?
Der Film, der den Oldie von den
Shirelles im Titel führt, wird dann auch einmal in einer zentralen
Stelle des Films bei einem Karaoke-Abend von der Gattin gesungen,
volltrunken und erkennend, dass ihr bisheriges Leben vorbei ist und
ein neues auf sie wartet. Und dieser Film, der wie der gestern
gesehene THE GREAT PASSAGE mit seinem stillen Humor begeistern kann –
hier beinahe noch zurückhaltender – und der zugleich ein
Feelgood-Movie ist, schwingt sich dann herrlich auf bis zum
Träumerischen, wenn die Figuren plötzlich überglücklich wie Mary
Poppins in den Himmel entschweben. Doch zugleich begeht Chen den
Fehler nie, allzu seicht zu werden. Denn stets bleibt klar, was auf
dem Spiel steht und wie groß die Angst ist, das alte Leben hinter
sich zu lassen und gemeinsam wie getrennt zugleich auf Neues
zuzuschreiten. Und so ist das Finale zwar kein eigentliches Happy
End, aber dennoch versöhnlich. Mit einem dezidiert offenen Ende.
Als Arvin Chen mit seinem Team und den
Schauspielern vor die Leinwand trat, brach ein Jubelsturm los. Der
Regisseur von AU REVOIR, TAIPEH wurde begeistert begrüßt, die
Mädchen in der Reihe hinter mir sind fast zusammengebrochen vor
Exstase. Kein Wunder, schafft es der Regisseur erneut, intelligente
und leichtfüßige, dabei durchaus tiefgehende Unterhaltung
abzuliefern. Es ist überhaupt eine große Kunst, das Schwere wie mit
leichter Hand zu inszenieren – dem danach gesehenen Europäer APRÈS
MAI von Olivier Assayas ist das eindeutig nicht gelungen, da drückt
es gewichtig durch alle Poren des Films, trotz der Drogen und der
Blumenpüppchen.
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