Verschüchteter Blümchensex ist nicht gerade etwas, was Ryuichi Hiroki zu interessieren scheint. Vielmehr sind es die psychischen Abgründe der Menschen, die sich in in seinen Filmen Bahn brechen - und diese vorwiegend als sexuelle Obsession. Auch in "M" ist das wieder so. Die zurückhaltende Protagonistin fristet ihr Dasein als Hausfrau in rechtwinklig aseptischem Ambiente. Der Gatte rennt jeden Tag ins Büro und kehrt spätabends erschöpft nach Hause zurück. Ein Bier bitte und das Essen darf sie ihm bringen, das war es dann. Der Sohn geht nun auch schon zur Schule, da weiß sie oft nichts mit sich anzufangen.
Über das Internet und das Mobiltelephon versüßt sie sich allerdings den Alltag - über eine Datingseite hat sie Kontakt zu fremden Männern und bekommt dort die Bestätigung, die ihr sonst fehlt. Wie sich dann herausstellt, trifft sie sich mit diesen Männern, und für 50.000 Yen schlüpft sie für wenige Stunden in die Rolle einer Prostituierten. Ein wenig Abenteuer, ein wenig extra Cash. Doch einmal geht es dann gründlich schief: der zunächst so nette Kunde stellt sich als creepiger Yakuza heraus, dem ihre freiberufliche Tätigkeit gewaltig stinkt - sie nimmt seinen Ladies die Arbeit weg. Da zwingt er sie, für ihn zu arbeiten, und mit den im Netz hochgeladenen Photos, die er von ihrer "Züchtigung" macht, verdient er nebenbei noch gutes Geld. Doch dann bekommt ihr Gatte durch einen Zufall die Bilder zugespielt, und die Welt scheint auseinander zu brechen.
"M" ist, wie Hirokis andere Filme, unaufdringlich naturalistisch. Die Bilder sind direkt, ungeschönt, es gibt keine extravaganten Kameraspielereien. Oft dicht an den Figuren dran. Die Musik ebenso: eingängig, unterstützend, aber reduziert. "M" ist ein Genrebastard, irgendwo zwischen Drama und Thriller, mit einigen Sexfilmeinlagen. Thematisch scheint mir der Film etwas vollgestopft zu sein. Es werden sehr viele Themen angerissen, Biographien hergeleitet, es gibt einige vielleicht unnötige Schlenker in der Handlungsentwicklung und er scheint alle Zuschauergruppen bedienen zu wollen. Dadurch wirkt "M" manchmal etwas orientierungslos. Doch die durchweg großartigen Schauspieler halten den Film zusammen, geben ihm Struktur. Auch die Sympathielenkung ist komplex, immer wieder verschieben sich die einmal aufgebauten Verhältnisse.
Aber das ist noch nicht alles: in einem weiteren Handlungsstrang knechtet sich ein junger Zeitungsausträger durch seinen tristen Alltag und findet an der mysteriösen Schönen Gefallen. Einer mit einem zerrütteten Elternhaus und einem merkwürdigen Verständnis von Sexualität. Ein Loner, dem man ein wenig Liebeserfüllung wünscht. Aber auch diesem ist Gewalt zur Durchsetzung seiner Bedürfnisse ein willkommenes Mittel. Wer darunter leidet, das kann man sich denken. "M" ist vielschichtig, deprimierend und komplex; er will etwas zuviel und wirkt manchmal überladen. Kein schechter Film, keine Frage, aber sicher auch kein Meisterwerk.
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