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I Am an S&M Writer / Futei no Kisetsu (Ryuichi Hiroki, Japan 2000)


Ren Osugi spielt hier einen Schriftsteller in der Krise: der Schmuddelautor Kurosaki leidet unter permanenter Einfallslosigkeit. Um Abhilfe zu schaffen, lässt er seinen Gehilfen Kawada (Jun Murakami) mit verschiedenen jungen Mädchen die Szenen nachstellen, die er sich für seinen nächsten Roman ausgedacht hat. In der allgemeinen Aufregung fangen nicht nur die Körpersäfte an zu fließen, nein, auch der Füller flegt wieder wie von selbst über das Papier. Und Kurosaki muss einfach nur das Gestöhne mitschreiben, das seine Vorstellungskraft in Schwung bringt. Denn Anschauungsmaterial hat er ja genug, wie er da etwa auf dem Rücken liegend über die nackte Frau schreibt, die Dank der Bondage-Technik gut verschnürt an der Decke der Schreibstube hängt. Natürlich fällt da auch für ihn mal ein kleiner Leckerbissen ab - was die Nerven beruhigt, scheint er doch nicht nur kreativerseits, sondern auch körperlich nachzulassen und gen Impotenz zu driften.

Überhaupt nicht begeistert von diesem ganzen erotischen Tohuwabohu ist die Gattin des Hauses, die reife und wunderschöne Shizuko (Yoko Hoshi). Dass ihr Mann fremdgeht, scheint dabei das kleinste Problem zu sein - man ist schon so lange verheiratet. Sie ist einfach nur genervt von seiner Art, von seiner Literatur, von seinem verstockten Gehabe, das von seinen Minderwertigkeitskomplexen zeugt. Wenn man nun aber denkt, sie würde sich unterdrücken lassen oder sie zerbräche daran, dann hat man sich getäuscht. Es ist nicht nur das Federballspiel im Garten mit dem Engländer Mac, das Kurosaki ins Grübeln bringt, nein, sondern generell die Fürsorge, die Shizuko fremden Männern angedeihen lässt. Gerne trocknet sie Macs Waschbrettbach mit dem Flanellhandtuch ab, und auch Assistent Kawada scheint ein intimeres Verhältnis zu ihr zu pflegen.

I AM AN S&M WRITER ist ein ironischer Bondagefilm, der nebenbei noch die Sorgen und Nöte des Schriftstellerdaseins auf's Korn nimmt. Basierend auf einer Kurzgeschichte des in Japan extrem bekannten Erotikschriftstellers Oniroku Dan ist dieser Film Hirokis, der schon etliche Erfahrung im Pinku-Eiga-Business gesammelt hat, so etwas wie eine lustvolle Abrechnung mit dem an Bondage-Filmen nicht armen Filmschaffen Japans. Früher oder später stolpert jeder, der sich genauer mit der japanischen Filmgeschichte beschäftigt, über die Filme mit dieser speziellen Thematik und es gibt kaum jemanden, der sich nicht darüber wundert, weshalb in dieser streng geregelten Gesellschaft ausgerechnet die Filme, in der die Frau gefesselt und unterdrückt wird, solche Popularität besitzen. Hiroki macht sich daraus einen Spaß und lässt nun ausgerechnet die Ehefrau Shizuko besonders selbstbewußt auftreten, die bald nur noch den eigenen Gelüsten nachgibt und nachgeht, und die macht, was sie will. Und wenn sie es besonders erregend findet, gefesselt zu werden, dann sagt sie das auch und behält selbst in diesem Zustand noch die Kontrolle über das unfähig in ihrem Netz zappelnde männliche Würmchen. Im Film gibt es eine besonders schöne Szene, die dies illustriert: Shizuko ist mit Kawada ans Meer gefahren und sie sitzen auf der Terrasse eines Lokals, das Meer im Hintergrund, im Ohr die Brandung. Kurz bevor das Essen kommt, lässt sie sich von Kawada die Hände zusammenschnüren und findet es dann besonders reizvoll, voller Anmut und dabei in den Bewegungen eingeschränkt, die Speisen zu verzehren. Kawada kommt das zunächst umständlich und peinlich vor, so in der Öffentlichkeit, aber akzeptiert dann schließlich, dass Shizuko genau so eben jetzt vollständig glücklich ist. Und auch sonst ist ihr Zusammensein geprägt von einem spielerischen Umgang mit dem Unterwerfen des und dem Unterworfen werden durch den Anderen. Etwas, das sie im emotional verstellten Umgang zu Hause mit dem umständlichen Ehemann, der jede Regung als Inspiration missversteht, die notiert werden will, überhaupt nicht mehr ausleben kann. So besteht also durchaus die Option, I AM AN S&M WRITER - den Fokus etwas verschoben - aus weiblicher Perspektive zu betrachten, und den Film als Plädoyer für das Aufbrechen verkrusteter gesellschaftlicher Normen und Traditionen zu begreifen. Dieser Film Hirokis, der übrigens sehr unterhaltend ist und wie im Flug vergeht, ist selbst ein Wolf im Schafspelz - es steckt deutlich mehr in ihm drin, als man in den ersten Minuten vermuten würde.

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