Direkt zum Hauptbereich

Last Words / Koi suru nichiyobi watashi. Koishita (Ryuichi Hiroki, Japan 2007)


Ein Film voller wunderbarer Szenen. Kurz vor der Hälfte hatte ich die erste Sichtung (vor Überwältigung) abbrechen müssen, um ihn mir ein paar Tage später nochmals von vorne anzusehen. Dazwischen hatte er mich die ganze Zeit begleitet.

Dabei ist der Plot eher melodramatisch, eher ein wenig zuviel, als dem Film gut tut. Ein junge Frau aus Tokyo (Mari Horikita) kehrt in ihren Heimatort am Meer zurück, da sie sich von ihm verabschieden möchte. Sie hat eine Krebsdiagnose bekommen, ihr bleiben noch drei Monate zu leben. Zuhause angekommen, trifft sie auf einen Jugendfreund (Shunsuke Kubozuka), der sie für ein paar Tage gerne bei sich aufnimmt. Dass die beiden noch unausgesprochene Baustellen aus der Vergangenheit haben, ist offensichtlich - doch der Umgang miteinander ist sehr freundlich und zurückhaltend (zunächst). Da begleitet Nagisa einmal Satoshi auf seiner Rundtour mit dem Altmüllwagen (er schlägt sich als Trödler durch), auf der sie entdeckt, dass er ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hat. Die beiden kommen sich aber wieder wie zwangsläufig näher, und es wird immer schwieriger, Konflikte zu umgehen.

Hirokis Regie entzieht dem Melodrama allen Schmalz. In einfachen Bildern des Alltags wird die Geschichte erzählt, Bilder, die gerade aufgrund ihrer unspektakulären Art ein eigene Poesie des Moments entfalten, die enorm einnehmend ist. Es bleibt Zeit, sich in den Bildern Hirokis umzuschauen. Er schneidet tendenziell hart, die Einstellungen bleiben aber lange stehen. Die Kamera geht sowohl ganz nah ran, als auch auf weite Distanz. Aber immer wird mit jedem Bild ein Gefühl erzeugt, besser: zugelassen; es ist tatsächlich möglich, jede Einstellung in diesem Film zu mögen (wenn man das aushalten kann). Etwa die Ankunft an seinem Haus, das zunächst verschlossen ist. Es ist eine gewöhnliche Einfahrt zu einem ganz normalen einstöckigen Landhaus. Kiesweg. Keiner da. Die Sonne brennt. Man hört die Zikaden und die Vögel. Man beginnt zu schwitzen. Wenn nur jemand da wäre!

Eine Hitze liegt über den Bildern, es ist ein heißer Sommer. Ein Sommer der Erinnerungen und der Gerüche. Des Essens, des Schlafens, des Gehens mit nackten Füßen über den Holzboden. Wasser. Den Dreck wegmachen. Irgendwie auch: Zeit haben. Man möchte mit diesem Film Zeit verbringen, man möchte mit seinen Figuren Zeit verbringen. Man möchte ins Bild steigen. Man hofft, dass er noch lange geht. Und dann kommt der Schlußmonolog im Bus, und man weiß, dass jetzt das Ende kommt. Man will es aber nicht wahrhaben und ich konnte auch nicht mehr richtig zuhören. Ich wollte einfach nicht, dass der Film da schon zuende ist, nach knapp 100 Minuten. Und dann aber die Beruhigung... man kann ihn sich, vielleicht auch immer wieder, und möglichst bald: nochmal ansehen.

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten, wie er um si