Indisches Biopic über den als Mountain Breaker bekannt gewordenen Dashrath Manjhi, einen verarmten Provinzburschen aus Bihar, einem Landstrich, der zu den ärmsten in Indien gezählt wird, und der es sich zur irren Lebensaufgabe gemacht hat, aus eigener Kraft einen Weg durch einen Berg zu schlagen. Mit dem Ziel, sein einsam und abseits gelegenes Dorf schneller an die Zivilisation anzubinden, auf direktem Wege, über einen Pass, mitten durch das Massiv hindurch. Wille und Hingabe zu einem scheinbar unmachbaren Projekt stehen also im Zentrum dieses moralinsauren Films, bei dem sich die Zuschauer fragen (sollen), woher der Mann nur die innere Kraft für seine Aufgabe nimmt - und die kommt freilich aus dem Quell der Liebe. Seine junge Frau (Radhika Apte), die ihm früh vom Tode geraubt wurde als sie am Berg einen Abhang hinabstürzte, hatte ihm noch zwei Kinder geschenkt. Doch um die kann er sich nicht kümmern, das macht die Familie. Dashrath (fulminant gespielt von Nawazuddin Siddiqui) wandert jeden Tag hinaus und hinauf in die einsame Bergwelt, gerüstet mit einem schweren Hammer und klopft Steine. Die Ausdauer für dieses Unterfangen stammt, wie gesagt, aus der Sehnsucht nach seiner Frau, die ihm vor dem inneren Auge aus dem Jenseits erscheint - und so führt er das fort, was er schon immer am besten konnte: sich bedingungslos für eine Sache einsetzen, die er sich in den Kopf gesetzt hat.
Das hat einen tieferen Hintergrund, denn auf diese Weise ehrt er zugleich die Liebe zu seiner Frau. Eine Ehe, die er nur gegen enorme Widerstände der Elterngeneration durchsetzen konnte, indem er seine Geliebte in letzter Sekunde entführte, bevor ihr dominanter Vater sie an einen reichen Mann aus der Stadt verheiraten konnte. Auch vom wohl genährten Vorsteher des Dorfes lässt er sich nichts sagen, auch wenn er selbst aus der niedrigsten Kaste der Unberührbaren stammt. Als das Gesetz Ende der 60er Jahre aufgehoben wurde, dass jeder Körperkontakt mit den Zugehörigen dieser Kaste verboten sei, wird das natürlich euphorisch gefeiert - aber nicht von allen. Die arrogante, höher stehende Elite fürchtet um ihren angeborenen, sozialökonomischen Vorsprung und unterdrückt weiterhin - zu Not: gewalttätig - die verarmten Bauern. Dashrath ist einer der wenigen, die sich das nicht gefallen lassen. Politik und Gesellschaftskritik sind unübersehbar in den Plot dieses Films hineingewoben, wodurch er sehr speziell, historisch eindeutig und begrenzt, durch den moralischen Aspekt aber zugleich überindividuell und zeitlos wird.
Gefilmt ist MANJHI vor allem in erdigen Brauntönen, Sand, Steine, gleißendes Sonnenlicht. Genug Wasser zu haben stellt für alle das Hauptproblem dar, vor allem für die Bauern. Als die Dürre zu schlimm wird, verlassen viele Haus und Hof. Dashrath aber bleibt, arbeitet bis zur Erschöpfung an seinem Projekt und verendet fast wie ein Tier, weil er zu rücksichtslos gegen sich selbst ist. Ein Mann, der sich in seine Vision verrennt, und dabei verschwimmt immer mehr die Grenze zwischen Hingabe und Wahnsinn. 22 Jahre lang schlägt er diesen Pass aus dem Berg heraus! Der Eremit kann also Wahnsinniger oder Heiliger werden, das ist manchmal nur eine Frage der Perspektive - die Visionen mit biligsten CGI-Mitteln heraufwallen zu lassen, war jedenfalls nicht die beste Entscheidung von Ketan Mehta. Unfreiwillige Komik stellt sich mehrfach ein, wie eine prinzipielle Hinterfragung dieses obskuren Films (Begriffe wie mediocre screenplay und terrible direction liest man recht häufig auf indischen Review-Seiten). Es ist vielleicht dann doch von allem ein bisschen zuviel - abgesehen vom guten Geschmack.
Michael Schleeh
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