Trace of Breath ist ein Dokumentarfilm und der erste Langfilm der japanischen Regisseurin Haruka Komori, die nach dem Unglück von 2011 von Tokyo nach Rikuzentakata in der Präfektur Iwate gezogen ist, um das Leben der Menschen in der Region zu dokumentieren. Rikuzentakata wurde vom Erdbeben und vor allem durch den Tsunami völlig zerstört. Nach und nach wird das Städtchen nun aus den Überresten des Unglücks rekonstruiert, eignetlich neu gebaut. Viele Menschen verloren ihr Leben, die allermeisten Gebäude sind vernichtet, und alleine den Alltag zu bestreiten ist eine große Herausforderung. Da so viel aufgeräumt, rekonstruiert und gebaut wird in diesem Film, ist er geprägt von einem permanenten Soundtrack des Baustellenlärms. Ständig fahren LKWs vorbei, überall arbeiten Maschinen, einen Ausblick gibt es nicht.
Aber im eigentlichen Zentrum des Films steht vor alleim ein Mann, der seine Gartenhandlung verloren hat. Genauer: er ist Saatguthändler, und hat, nach der völligen Zerstörung seines Geschäfts, an einer Hauptstraße seinen Laden in einer Bretterbude neu eröffnet. Da es kein fließendes Wasser gab, musste er mit primitiven Mitteln einen Brunnen graben. Alles an diesem Hof ist aus Reststücken zusammengeflickt: alle Gewächshäuser, Planen, Werkzeuge, Schalen, Zierkisten - ganz egal, sind von Herrn Teiichi Sato selbst zusammengebastelt und wieder brauchbar gemacht worden.
Aber was ihn vor allem auszeichnet, neben seinem Durchhaltewillen, das ist das von ihm geschriebene Buch, das er über das Unglück von 2011 geschrieben hat. Herausgegeben - natürlich - im Eigenverlag hat er die Auswirkungen der Katastrophe auf seine nächste Umgebung dokumentiert. Er wollte mit einer einzigen Seite anfangen, dann ist es ein Buch geworden. Und da es ihm zu emotional geworden wäre, wenn er es auf Japanisch geschrieben hätte, hat er es auf Englisch verfasst. Da seine Englischkentnisse aber nicht ausreichten, hat er wieder die Fremdsprache gelernt. Und weil er der Welt von dem Unheil erzählen möchte, hat er nun sogar eine chinesische Edition herausgegeben.
Der Film ist sehr dicht an diesem unermüdlichen Werkler dran, der dann auch immer wieder auf getragene Weise mit ordentlich Pathos aus seinem Buch vorliest. Ob er das tut, weil er Fakten vermitteln will, oder ob er gerade wieder eine Englisch-Übungsstunde abhält, das kann man nicht immer mit Sicherheit sagen. Da beweist der Film einen feinen Sinn für Humor. Die Diskrepanz zwischen diesem Mann, der sich nicht unterkriegen lässt und der provisorischen Umgebung, in der lebt, ist herzzerreißend. Im Endeffekt ist auch hier immer noch alles kaputt und jeder versucht, den Kopf über Wasser zu halten.
Stilistisch gesehen ist der Dokumentarfilm sehr schlicht gehalten, er versucht nicht über ästhetisch beeindruckende Bilder Wirkung beim Zuschauer zu erzeugen. Formale Entscheidungen werden jedoch offensichtlicher, wenn man einmal verstanden hat, wie sehr sich der Film auf dieses eine Schicksal fokussiert. Man kann nur hoffen, dass Haruka Komori noch weitere Filme dieser Art fertig stellen wird. Ich bin mir sicher, hier gibt es noch sehr viel zu entdecken. Denn was eben enorm beeindruckt, das ist der Durchhaltewillen der Menschen vor Ort, die in einer völlig zerstörten Heimat versuchen, sich eine neue Existenz aufzubauen.
Michael Schleeh
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