[Japanese Film Blogathon 2010]
In einem ungenannten Gefängnis irgendwo auf dem Planeten Erde, zu einer unbekannten Zeit: zwei junge Männer (Ryuhei Matsuda und Masanobu Ando) werden inhaftiert, die beide einen Mord begangen haben. Sie freunden sich an, Homoerotik liegt in der Luft. Da wird der stark tätowierte Shiro, der gewalttätige der beiden, tot aufgefunden. Zwei Ermittler versuchen den Mörder zu finden...
So könnte man in groben Zügen eine der Lesarten der Handlung dieses Films zusammenfassen - und hat ihn doch, reduziert auf Inhaltliches, zugleich überhaupt nicht erfasst. Denn dieser Film verweigert sich nicht nur einer herkömmlichen Narration, die sich an einer Chronologie der Ereignisse entlangzuhangeln gewohnt ist, er verweigert sich über traumhafte, subjektive, und surreale Szenen per se einer Kohärenz und einem normalen Logikverständnis auf fast allen Ebenen. Inhaltlich, wie formal. Man scheint hier hinter den Gefängnismauern eine eigene Welt zu betreten.
Hatte Takashi Miike 2004 mit DEMON POND ein Theaterstück verfilmt, so scheint nun das komplementäre Gegenstück vorzuliegen: ein Film, der wie ein Theaterstück inszeniert wurde, sich einem solchen zumindest sehr stark annähert.
Eine Spur, die also durch den Film führen kann, sind die Räume. Man befindet sich zwar in einem Gefängnis, dieses ist aber äußerst heterogen gestaltet. Eine Zelle mit 6 Gefangenen ist der Ort, der noch am realistischsten gezeigt wird; doch über Juns Bett befindet sich ein Loch in der dünnen Wand, durch das er nach draußen sehen kann. Dort sieht er eine riesige Rakete und eine Maya-Pyramide - Raum als feste Kategorie löst sich auf, wird zum individuellen Vorstellungsraum, den Miike hierarchisch auf gleicher Ebene ins Bild setzt, wie der quasi-realistische Gefängnisraum. Hier wird deutlich, wie einfach zugleich und raffiniert die Verstörung Einzug erhält: läßt man die gewohnten Marker der verschiedenen fiktionalen Ebenen weg, erscheint dem Rezipienten, was sonst im Film gekennzeichnet und gewichtet würde, alles gleichsamt "real" (innerhalb der Fiktion).
Man zerstörtt die strukturelle Ordnung und die Orientierung durch eine Auflösung der Hierarchien.
Was auf eine Gleichzeitigkeit des Ortes, aller Orte, verweist. Aber auch auf eine Aufhebung der fortlaufenden Zeit. Der japanische Titel lautet genauer übersetzt 46 Millionen Jahre Liebe, was auf ein euphorisch-romantisches 'ewige Liebe'-Konzept anspielt, die man im Film verzweifelt zu verorten sucht.
Nochmal die Orte: die beiden Hauptdarsteller befinden sich im Freigang dann auch vor dieser Pyramide auf dem offenen Feld und unterhalten sich, ohne miteinander zu sprechen. Die Sprache fließt, ohne daß sie die Lippen bewegen würden. Überhaupt verselbständigt sich die Sprache permanent im Film: sie strukturiert ihn in Kapitel, erscheint als Texttafel etwa beim Verhör des Gefängnisdirektors, wird von einem Erzähler geflüstert. Das erzählte Material lagert sich auf einer großen Fläche ab wie in einer Versuchsanordnung, einem Experiment vor dem Experiment. Entsprechend rudimentär darf gestaltet werden: der Essenssaal zum Beispiel sieht - im Gegensatz zur Zelle - wie ein Trierscher Raum aus, einen den man bereits aus DOGVILLE kennt. Oder eben wie eine Theaterbühne. Während draußen die Rakete startet, hinein in einen rotgefärbten CGI-Himmel.
Mag sich das nun alles sehr verstörend und kompliziert bemüht lesen: dieser Film scheint ein gut durchdachtes Konstrukt zu sein, das in seiner Vielgestalt(et)heit aufzugehen scheint und einen eigenen Sog (also so etwas wie Spannung) entwickelt. Hier kann mit mehreren Sichtungen sicherlich viel rausgeholt werden, der Eindruck der Willkürlichkeit stellt sich während der Sichtung nicht ein. Man ist sich der ständig frei flottierenden gesellschaftlich-kulturellen Referenzen bewußt, ohne daß dies penetrant umgesetzt wirken würde, oder allzu metaphernbelastet. Gerahmt wird der Film denn auch von einem Erzähler; die Kamera geht an, man sieht eine Klappe, und los geht's. Die Fiktion steht neben dir, als Realität. Film als Möglichkeitsraum. Du mußt nur mal durch das Objektiv schauen - oder durch die Scheibe in deiner Zelle zuhause.
In einem ungenannten Gefängnis irgendwo auf dem Planeten Erde, zu einer unbekannten Zeit: zwei junge Männer (Ryuhei Matsuda und Masanobu Ando) werden inhaftiert, die beide einen Mord begangen haben. Sie freunden sich an, Homoerotik liegt in der Luft. Da wird der stark tätowierte Shiro, der gewalttätige der beiden, tot aufgefunden. Zwei Ermittler versuchen den Mörder zu finden...
So könnte man in groben Zügen eine der Lesarten der Handlung dieses Films zusammenfassen - und hat ihn doch, reduziert auf Inhaltliches, zugleich überhaupt nicht erfasst. Denn dieser Film verweigert sich nicht nur einer herkömmlichen Narration, die sich an einer Chronologie der Ereignisse entlangzuhangeln gewohnt ist, er verweigert sich über traumhafte, subjektive, und surreale Szenen per se einer Kohärenz und einem normalen Logikverständnis auf fast allen Ebenen. Inhaltlich, wie formal. Man scheint hier hinter den Gefängnismauern eine eigene Welt zu betreten.
Hatte Takashi Miike 2004 mit DEMON POND ein Theaterstück verfilmt, so scheint nun das komplementäre Gegenstück vorzuliegen: ein Film, der wie ein Theaterstück inszeniert wurde, sich einem solchen zumindest sehr stark annähert.
Eine Spur, die also durch den Film führen kann, sind die Räume. Man befindet sich zwar in einem Gefängnis, dieses ist aber äußerst heterogen gestaltet. Eine Zelle mit 6 Gefangenen ist der Ort, der noch am realistischsten gezeigt wird; doch über Juns Bett befindet sich ein Loch in der dünnen Wand, durch das er nach draußen sehen kann. Dort sieht er eine riesige Rakete und eine Maya-Pyramide - Raum als feste Kategorie löst sich auf, wird zum individuellen Vorstellungsraum, den Miike hierarchisch auf gleicher Ebene ins Bild setzt, wie der quasi-realistische Gefängnisraum. Hier wird deutlich, wie einfach zugleich und raffiniert die Verstörung Einzug erhält: läßt man die gewohnten Marker der verschiedenen fiktionalen Ebenen weg, erscheint dem Rezipienten, was sonst im Film gekennzeichnet und gewichtet würde, alles gleichsamt "real" (innerhalb der Fiktion).
Man zerstörtt die strukturelle Ordnung und die Orientierung durch eine Auflösung der Hierarchien.
Was auf eine Gleichzeitigkeit des Ortes, aller Orte, verweist. Aber auch auf eine Aufhebung der fortlaufenden Zeit. Der japanische Titel lautet genauer übersetzt 46 Millionen Jahre Liebe, was auf ein euphorisch-romantisches 'ewige Liebe'-Konzept anspielt, die man im Film verzweifelt zu verorten sucht.
Nochmal die Orte: die beiden Hauptdarsteller befinden sich im Freigang dann auch vor dieser Pyramide auf dem offenen Feld und unterhalten sich, ohne miteinander zu sprechen. Die Sprache fließt, ohne daß sie die Lippen bewegen würden. Überhaupt verselbständigt sich die Sprache permanent im Film: sie strukturiert ihn in Kapitel, erscheint als Texttafel etwa beim Verhör des Gefängnisdirektors, wird von einem Erzähler geflüstert. Das erzählte Material lagert sich auf einer großen Fläche ab wie in einer Versuchsanordnung, einem Experiment vor dem Experiment. Entsprechend rudimentär darf gestaltet werden: der Essenssaal zum Beispiel sieht - im Gegensatz zur Zelle - wie ein Trierscher Raum aus, einen den man bereits aus DOGVILLE kennt. Oder eben wie eine Theaterbühne. Während draußen die Rakete startet, hinein in einen rotgefärbten CGI-Himmel.
Mag sich das nun alles sehr verstörend und kompliziert bemüht lesen: dieser Film scheint ein gut durchdachtes Konstrukt zu sein, das in seiner Vielgestalt(et)heit aufzugehen scheint und einen eigenen Sog (also so etwas wie Spannung) entwickelt. Hier kann mit mehreren Sichtungen sicherlich viel rausgeholt werden, der Eindruck der Willkürlichkeit stellt sich während der Sichtung nicht ein. Man ist sich der ständig frei flottierenden gesellschaftlich-kulturellen Referenzen bewußt, ohne daß dies penetrant umgesetzt wirken würde, oder allzu metaphernbelastet. Gerahmt wird der Film denn auch von einem Erzähler; die Kamera geht an, man sieht eine Klappe, und los geht's. Die Fiktion steht neben dir, als Realität. Film als Möglichkeitsraum. Du mußt nur mal durch das Objektiv schauen - oder durch die Scheibe in deiner Zelle zuhause.