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Go, Go Second Time Virgin / Yuke Yuke Nidome no Shojo (Kôji Wakamatsu, Japan 1969)


Schwarzweiße, graue Bilder vom Himmel über der Großstadt. Überkopf wie eine Trophäe transportieren vier jugendliche Randalierer ein benommenes Mädchen (Mimi Kozakura ) das Treppenhaus hinauf auf das Dach des Hochhauses. Dort wird rumgeplänkelt, erst gelacht, dann geboxt, schließlich ernst gemacht: von allen wird sie nacheinander vergewaltigt. Gegenwehr bringt nichts, es bleibt nur Heulen und Augenschließen. Ein anderer Junge mit Nickelbrille schaut zu (Michio Akiyama), man weiß nicht, wie er dorthin kommt, ob er zur Gruppe gehört, oder nicht. Wie sich später rausstellt: nein, er ist einer, der genug hat von denen, die sich aufdrängen und andere schikanieren. Aber anstatt zu helfen, schaut er scheinbar teilnahmslos zu. Später kümmert er sich um das Mädchen, deren Blut zwischen den Beinen auf den Beton läuft, die völlig entkräftet eingeschlafen ist. Nur um am nächsten Morgen erneut vergewaltigt zu werden.

Die Figuren scheint man zu kennen in ihrer Schicksalshaftigkeit, das Mädchen etwa trägt Züge des zwei Jahre zuvor entstandenen, lebensmüden Soldaten aus Nagisa Oshimas DIE NACHT DES MÖRDERS / JAPANESE SUMMER: DOUBLE SUICIDE, der auf der Suche nach einem Mörder für sich selbst ist. Hier liegt der Fall ähnlich: das junge, traumatisierte Mädchen ist ebenfalls auf der Suche nach dem Tod. In einer spektakulären Rückblende, bei der der Film plötzlich zur Farbe wechselt (ins Blau; eine formale Umkehrung der formal-filmischen Konventionen, denn normalerweise wird der Flashback entfärbt, während die erzählte Zeitebene in Farbe ist), wird sie von zwei Jungs verfolgt, rennend am Meer, die Gischt der Wellen spritzt hoch. Wakamatsu ist ein Mann der Verunsicherung: man denkt, die spielen doof herum, albern - aber nein, das Spiel wird ernst, die Jungs begraben das Mädchen unter sich, überall Sand, im Gesicht, im Mund, dann legt sich der erste auf sie drauf. Die Wellen rauschen heran, beinah ertrinkt das Mädchen, während sie von den beiden Männern nacheinander missbraucht wird. Eine schlimme, sehr sehr eindrückliche Szene.

Später wird sie preisgeben, mit ihrem Vater geschlafen zu haben, bzw. auch von diesem vergewaltigt worden zu sein, und so geht es immer weiter: die Randalierer kehren zurück, erstaunt sie immer noch dort zu sehen. Mit anderen Mädchen, lachend, herumalbernd, dann Kleber aus Tüten schnüffelnd. Die Mädchen werden anschließend vergewaltigt, denn das ist es, was diese Herren tun, die keinen Vertrag haben mit nichts. Aber der Junge und das Mädchen, die beinahe so etwas wie Zuneigung empfinden (könnten?), wehren sich. Im Zimmer des Jungen, der im Hause wohnt, liegen bereits ein paar Leichen von Eindringlingen, die ihn missbraucht hatten. Mit einem Messer bewaffnet wird nun einer nach dem anderen abgemurkst. Zu einem glücklicheren Dasein führt das allerdings nicht unbedingt. Auch wenn die Revenge nun auf den Rape gefolgt ist.

Warum der Film so gut funktioniert, der mir vor allem enorm nihilistisch zu sein scheint, liegt mit Sicherheit auch an seiner Tonspur. Ein Aspekt, den ich absichtich beim eben besprochenen THE EMBRYO HUNTS IN SECRET unterschlagen habe (und der sich durch seinen klassischen Konzertsoundtrack auszeichnet): dieser tieftraurige Film wird von einem so überwältigenden, melancholischen und sparsam eingesetzten Singer- / Songwriter-, Popmusik- und Easy Listening-Soundtrack untermalt, dass er trotz seiner grauenhaften Ereignisse zu einem in sich bewundernswert "schönen" Film wird. Schön natürlich in Anführungszeichen, denn das ist das falsche Wort; er gewinnt vielmehr eine Erhabenheit, die die Stärke der beiden Protagonisten symbolisiert, die hier zueinander finden gegen all die Widerstände und Widrigkeiten. Zur Abstraktion trägt auch der deklamatorische Sprechstil der Protagonisten bei, der an Brecht denken lässt, wenn die Personen emotional abgetötet ihre Sätze aufsagen: "Es ist morgens. Am 8. August wurde ich zum zweiten Mal vergewaltigt." Oder: "Meine Mutter wurde von einer Gruppe Männer vergewaltigt, danach wurde ich geboren." Es scheint ein sich vererbendes Schickal zu sein, ein Leiden, das diese Figuren ertragen müssen und nur durch Mord und schließlich durch den Selbstmord aufheben können. Zu zweit vom Dach zu springen, kann sich das Mädchen zunächst nicht vorstellen. Womit wir wieder beim "Doppelselbstmord aus Liebe" wären (ein, wie [1]jüngst [2]mehrfach [3]angesprochen [4]hier im Blog, häufig auftretendes Motiv im japanischen kulturellen Horizont), das würde ein falsches Signal senden. Die letzte Einstellung spricht dann für sich selbst.

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