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True Women for Sale / Sing kung chok tse yee: Ngor but mai sun, ngor mai chi gung (Herman Yau, Hongkong 2008)


Übersetzt man den Originaltitel komplett, so lautet er Ich verkaufe nicht meinen Körper, sondern meinen Unterleib. Und damit ist man mittendrin im Drama der Prostituierten von Sham Shui Po, die sich weigern, dem Freier mehr darzubieten, als den Unterleib.
Im Zentrum des Filmes stehen vier Charaktere: die Prostituierte Chung, die sich dank ihres Kokainkonsums die geschrotteten Zähne richten lassen möchte; ein Fotoreporter, der sich ihr an die Fersen heftet, da er dringend eine Story braucht; die Festlandchinesin Lin-Fa, die hochschwanger ihren Gatten bei einem Unfall verliert und nun um ihre Aufenthaltsgenehmigung bangt; sowie der Versicherungsmakler Lau (Anthony Wong), der diesen heruntergekommenen Bezirk durchstreift, um den Ärmsten eine Versicherung aufzuschwatzen. Doch entdeckt er in den Schicksalen der Menschen stets und dummerweis sein Herz, sodaß er selbst ausstehende Zahlungen zu tätigen pflegt.
Anthony Wong konnte nicht nur in TURNING POINT überzeugen, sondern tut es auch hier (wieder). Seine Darstellung des tolpatschigen Geschäftsmanns mit Herz ist äußerst gelungen, er ist das emotionale Zentrum des Films. Überhaupt überzeugt der Film mit einem durchweg leichten Ton, der zwar vor den Unbilden des Lebens nicht zurückschreckt, doch auch auf recht "humanistische" Weise seine Figuren begleitet, und diese gerade nicht als skandalöses Ereignis mißbraucht. Es ist ein Alltag von vielen, mit dem Schicksal von vielen. Schaut man genauer hin, individualisiert man die Tragödien und Komödien, entsteht ein Portrait, das manchmal weh tut, manchmal zum Lachen bringt.

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Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

No Blood Relation / Nasanunaka (Mikio Naruse, Japan 1932)

Der etwa ein Jahr vor Apart from You entstandene Film Nasanu naka , Naruses erster Langfilm, ist unter den noch verfügbaren Stummfilmen eine deutlich ungehobeltere Produktion, als dessen recht bekannter Nachfolger. Schon die Eröffnungssequenz ist ein richtiger Tritt vor die Brust. Mit schnellen Schnitten und agiler Kamera wird die turbulente Verfolgung eines Taschendiebes gezeigt. Bevor der Dieb später auf offener Straße, so die komödiantische Auflösung, die Hosen herunterlässt um seine Unschuld zu beweisen (übrigens sehr zum Amusement der ebenfalls anwesenden jungen Damen, die aus dem Kichern nicht mehr herauskommen). Die Eröffnung aber ist gleich ein radikaler Reißschwenk über eine Straßenszene hinweg, hinein in eine schreiende Schrifttafel mit dem Ausruf: DIEB! Hier die Sequenz: Darauf die Verfolgung des Taschendiebes durch die alarmierten Passanten, die von der Straße zusammenkommen oder aus den umliegenden Geschäften herausstürzen, alles mit schnellen Schnitten m