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Attack on Titan (Shinji Higuchi, Japan 2015)


Der Film wirft den Zuschauer gleich von Beginn an unmittelbar und mitten in die Handlung hinein. Ganz so, als wären die Rahmenbedingungen dieser postapokalyptischen Welt sowieso jedem bekannt (Mangaleser der Originalvorlage sind im Vorteil). Ein bisschen unausgelebte Liebessehnsucht zwischen Figuren, die man erst nach und nach kennenlernt. Ein bisschen bukolischer Schmalz, damit die Fallhöhe nachher größer ist. Ein bisschen Steampunk, damit man neben all dem künstlichen CGI noch was Handfestes hat. Ein bisschen Mittelaltermarkt in der Zukunft, damit die Fans von THE HUNGER GAMES / TRIBUTE VON PANEM sich direkt wohlfühlen können. Und dann kommen recht schnell schon die Titanen und ein barbarisches Gemetzel beginnt, dass einem Hören und Sehen vergeht.

ATTACK ON TITAN muss im Netz viel Schmäh, Schimpf und Schande einstecken, da sind wohl einige nicht zufrieden. Entweder wird das CGI beanstandet, das nicht die technische Perfektion habe, die so ein Film bräuchte; oder es werden die Abweichungen von der Mangavorlage moniert, man habe sich zu weit vom Original entfernt. Puristen mag das stören, die Film als Erfüllungsgehilfen für externe Ansprüche begreifen; mir persönlich ist das jedoch völlig schnurz. Ein Film ist ein eigenständiges Kunstwerk und kann sich im besten Falle sowieso nur einer Vorlage annähern, tendenziell. Es werden sich aber immer Abweichungen finden, im Negativen wie im Positiven. Wer penibler hinschaut, findet mehr, wer schon in der Vorlage nicht richtig aufmerksam war, wird immer unzufrieden sein.

Also: Irgendwann in der Zukunft haben sich die Menschen hinter riesige Schutzwälle zurückgezogen, da man sich vor den menschenfressenden Titanen schützen möchte. Die sind riesig und beinahe unzerstörbar (ganz ähnlich wie mit dem Nachtwachen-Erzählfaden bei GAME OF THRONES). Allerdings: seit zweihundert Jahren habe man schon keine Titanen mehr gesehen, und viele empfinden die Wälle weniger als Schutz denn als Gefängnis. Die drei Hauptfiguren planen auszubrechen - man weiß ja nicht, vielleicht erwartet einen ja auch das Paradies dort draußen?

Eines darf man sicherlich noch verraten: das ist eine gravierende Fehlannahme. Draußen ist nur Tod und Verwüstung und just in diesem Moment revanchieren sich die Mutanten dann auch mit einem Angriff auf die befestigte Stadt. Gegen Ende, wenn alles immer noch dramatischer werden muss, übersteuert der Film etwas, da verliert er das richtige Maß. Bis dahin aber ist das beste megalomanische Blockbusterunterhaltung, die einen in den Kinosessel presst. Die Hoffnung stirbt zwar bekanntlich zuletzt, in diesem Film aber stirbt sie gründlich. Aus diesen Ruinen kann eigentlich nichts mehr erwachsen. Auf Teil 2, der schon in den Startlöchern steht, darf man bereits gespannt sein - es wäre schön, wenn er die inszenatorische Dichte dieses ersten Teils erreichen würde.

Michael Schleeh

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