Direkt zum Hauptbereich

Stoischer Humor: Party 'round the Globe (Hirobumi Watanabe, Japan 2017)


 Der Gewinner des letztjährigen Nippon Vision Awards kehrt zurück mit einem Film, der seinem Poolsideman (2016) formal sehr ähnlich ist. Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt: zwei junge Männer sitzen im Auto und fahren nach Tokyo zu einem Konzert von Paul McCartney. Da sich Watanabes Filme durch lange Einstellungen und eine statische Kamera auszeichnen, passiert hier nicht viel, außer dass einer der beiden permanent redet, und der andere nie. In amerikanischen Reviews würde man jetzt den Begriff deadpan humour lesen können - es ist subtil lustig, weil das so wahnsinnig trocken inszeniert ist. Knalleffekte gibt es hier nicht. In schwarz-weiß noch dazu. Minutenlang passiert einfach nichts, außer diesem Gequatsche und dem ruhigen, zen-buddhistischen Blick des Fahrers, der das alles irgendwie erträgt, ohne aggressiv zu werden.

 Der Film setzt sich aus einer ständige Aneinanderreihung von vielleicht sechs Einstellungen zusammen, die alle auch immer wiederkehren, um das gleichförmige Leben seines Protagonisten zu veranschaulichen.  Morgens beim Gang mit dem Hund, Wäsche aufhängen, Rauchen gehen bei der Arbeit, in den Himmel schauen in der Mittagspause, Nudelsuppe kochen zuhause auf dem Herd, Fahrt nach Tokyo zum Konzert.

 Die Geschichte entwickelt sich aus sich selbst heraus, nichts wird erklärt. Erst versteht man die Routine, dann die kleinsten Änderungen, die sich doch immer wieder finden. Die Zigaretten gehen aus, der Mann hatte mal eine Frau und ein Kind, aber nun sind sie weg, der Quatscher hat ein Oma, die einhundert Jahre alt wird. Der Film hat einen sehr eigenen Rhythmus, und durch seine trockene Art zwingt er den Zuschauer, sich auf ihn einzulassen. Wer das nicht kann, hat zwei sehr lange Stunden vor sich.

 Glücklicherweise haben wir es mit ziemlich sympathischen Charakteren zu tun und mit einem japanischen Alltagsleben, das interessant genug ist, mit mildem Gleichmut betrachtet zu werden. Und die Form, die immer wieder mal minimal aufgesprengt wird, ermöglicht dann Einblicke, die, auch wenn sie noch so klein sind, sich wie große Umwälzungen anfühlen. Party 'round the Globe ist auch ein Plädoyer dafür, genauer hinzuschauen in Filmen, wie im Leben. Es wäre nur schön gewesen, wenn uns Watanabe noch mehr über die verschwunden Familie des Protagonisten erzählt hätte. Das bleibt etwas zu sehr im Offenen.

Michael Schleeh

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

Eighteen Years, to the Sea / 十八歳、海へ (Toshiya Fujita, Japan 1979)

 Toshiya Fujita (Regisseur von z.B. den LADY SNOWBLOOD-Filmen oder STRAY CAT ROCK: WILD JUMBO ) liefert hier einen typischen japanischen End-70er-Jahre Genrebeitrag ab, in dem sich "Junge Wilde" in ihrem ganzen übersatten Ennui dermaßen anöden, dass sie auch mal dieses Ding mit dem Doppel-Liebestod ausprobieren wollen. Existenziellere Nöte gibt es kaum, sie sind sogar in ihrer Abschlußklasse ganz vorne auf der Liste. Die Eltern haben alle Geld, aber man kann es sich leisten, es nicht annehmen zu wollen.  Also geht man in Kamakura ins Meer, legt sich mit einer Bikergang an, nimmt Schlaftabletten (aber immer nur eine) und erhängt sich zum Spaß mit einem Seil, das schon ganz verrottet ist und auf jeden Fall reißt.  Ansonsten gibt es viel unbeholfenen Sex, der schnell in Gewalt ausartet, einmal auch in eine (fürs Genre obligatorische) Vergewaltigung, an deren Ende das Opfer den Täter sogar noch bittet, sich zukünftig um die Schwester zu kümmern.  Es ist alles wunderbar a...

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten...